Alternative Gremien: Was Mitarbeiterräte leisten können

Kollegen beraten gemeinsam an einem Konferenztisch
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Mitbestimmung

Köln (dpa/tmn) - Mitbestimmung im Unternehmen? Das geht längst nicht mehr nur über den klassischen Betriebsrat. Es gibt auch alternative Modelle der Partizipation. Gremien dafür heißen zum Beispiel Kulturrat, Belegschaftsausschuss, Mitarbeiter Board, Employee Committee oder Shadow Board.

Sie versprechen eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Belegschaft und Führung. Die Bezeichnung des Gremiums hängt häufig von der genauen Ausrichtung ab. Die Vorteile eines solchen Gremiums: Mitarbeitende können sich direkt einbringen. Sie agieren als Sprachrohr ihrer Kolleginnen und Kollegen und arbeiten mit der Geschäftsführung an der Unternehmensentwicklung. 

Im Gegensatz zum klassischen Betriebsrat ist der inhaltliche Fokus nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern frei definierbar. Klar ist aber auch: «Damit haben diese Räte weniger Rechte als Betriebsräte», sagt Rainald Thannisch, Bereichsleiter Mitbestimmung bei der Gewerkschaft Verdi. Arbeitgeber können vereinbarte Rechte auch anders als beim Betriebsrat wieder entziehen.

Unternehmen und Mitarbeitende auf Augenhöhe

Ein wesentliches Merkmal der Mitarbeiterräte: Mitarbeitende definieren gemeinsam mit der Führung Ziel, Ausrichtung und Form und leiten sie nicht aus einem Gesetz ab, sie platzieren die Themen, die ihnen wichtig sind.

«Der Vorteil der Mitarbeiterräte gegenüber Betriebsräten: Sie sind agil, unbürokratisch und maßgeschneidert, wovon vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen profitieren können», sagt Ursula Vranken, Gründerin und Geschäftsführerin Institut für Personalentwicklung und Arbeitsorganisation (IPA). Sie berät Unternehmen bei der Einrichtung eines Mitarbeiterrats. Ihrer Erfahrung nach können Betriebs- und Mitarbeiterrat gut neben- und miteinander existieren und zusammenarbeiten.

Ziele, Aufgaben, Rechte und Pflichten

Ein Mitarbeiterrat kümmert sich beispielsweise um Mitarbeiterbefragungen und leitet daraus Maßnahmen ab, entwickelt die Führungs- und Unternehmenskultur weiter und arbeitet an betrieblichen Veränderungsprojekten ebenso mit wie am Gesundheitsmanagement. 

Das Regelwerk des Rates erarbeiten Führungskräfte und Mitarbeitende gemeinsam. Das kann Beraterin Vranken zufolge auch einen Kündigungsschutz ähnlich dem des Betriebsrats beinhalten. Darüber hinaus sei eine arbeitsrechtliche Beratung durch vom Unternehmen bezahlte Anwälte möglich. Für ihre Aufgaben erhalten Mitarbeiterräte idealerweise ein Jahresbudget.

Kein Instrument für Grabenkämpfe

Dass betriebliche Mitbestimmung sinnvoll ist, ist wissenschaftlich belegt. Betriebe mit einem Betriebsrat seien produktiver, die Mitarbeitenden zufriedener mit der Demokratie, so Verdi-Experte Rainald Thannisch. «Denn die Kollegen wissen aus ihrer betrieblichen Erfahrung, dass ihr Engagement zu echten Verbesserungen führen kann.» 

Dennoch behindern oder verhindern manche Unternehmen die Wahl von Betriebsräten, obwohl das gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstößt. Rainald Thannisch befürchtet daher, Mitarbeiterräte könnten als Feigenblatt fungieren. Wenn es im Unternehmen rumort, aber die Geschäftsführung einen Betriebsrat verhindern will, richtet sie stattdessen einen Mitarbeiterrat ein, um die Belegschaft zu beruhigen und Partizipation zu simulieren.

Ursula Vranken hat in ihren Jahren als Beraterin noch nicht erlebt, dass eine Geschäftsführung ein Gremium verhindert. «Wenn ein Unternehmer ein solches Gremium will, hat er auch ein hohes Interesse daran, dass es funktioniert und dass sich alle an die Vereinbarungen halten», sagt Vranken. Schließlich geht es darum, das Unternehmen gemeinsam weiterzuentwickeln. Sie stellt aber klar: «Ein Mitarbeiterrat ist kein Instrument, um Grabenkämpfe zu führen.»

Wer als Unternehmer den Mitarbeiterrat nicht wirklich beteiligen, sondern nur wissen will, was die Angestellten denken, werde Unruhe ernten, so Vranken. «Gute Kulturräte gestalten aktiv mit und wollen kein Placebo-Team sein.»

Repräsentative Auswahl

Mitarbeiterräte werden demokratisch und geheim gewählt, das heißt, die Geschäftsführung kann keine Vertreter «einschleusen». Ursula Vranken empfiehlt eine repräsentative Teilnehmerschaft aus dem Unternehmen, die alle Bereiche abdeckt.

Aber auch Mitarbeiterbeteiligung will geübt sein und muss sich entwickeln. «Die Mitglieder der Räte müssen lernen, statt nur aus der eigenen Perspektive aus der des Unternehmens zu denken», sagt Vranken. Heißt: Unzufriedenheit allein ist kein Thema für einen Rat. Diese Herausforderung gilt aber für alle Beteiligungsformen. 

Meist müssen sich die Mitglieder der Räte mit unbekannten Themen auseinandersetzen. Für Unternehmen seien derartige Gremien zusätzlich ein guter Talent-Pool, sagt Ursula Vranken. «Die Mitarbeitenden schauen über den eigenen Tellerrand, bilden sich weiter, lernen unternehmerisch mitzudenken, Mehrheiten zu organisieren und brennen für das Unternehmen.»

Hilfe bei der Planung

Bei der Einrichtung eines Mitarbeiterrats helfen Berater und Beraterinnen, aber auch Arbeitsrechtler. Für die Planung eines Betriebsrats rät Thannisch, sich an eine der Gewerkschaften zu wenden. «Die kritische Phase ist die, in der über die Einrichtung eines Betriebsrats diskutiert wird, aber noch niemand gewählt ist. Denn für die Initiatoren besteht lediglich ein herabgesetzter Kündigungsschutz», so der Bereichsleiter. 

Ob Betriebsrat oder Mitarbeiterrat: Entscheidend ist beim Thema Mitbestimmung, dass es nicht nur um Formalität geht. Nur wenn Mitarbeitende wirklich gehört werden und gemeinsam mit der Führung gestalten dürfen, entsteht Vertrauen.

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