Unsere Zukunft - Leben mit dem Klimawandel: Der Bauingenieur

Wir bringen eure Klimageschichte ins Radio. Wir möchten euch zeigen, wo man den Klimawandel jetzt schon bei uns in NRW spürt. Zum Beispiel beim Thema Starkregen. Auch da muss umgedacht werden, etwa wenn es um die Kanäle geht, die unter der Erde verlaufen. Auch beim Beruf des Bauingenieurs ist der Klimawandel angekommen.

© Radio Hagen
"Wasser in großen Mengen aufzuhalten, das schaffen Sie nicht. Jetzt langsam bekommt man Angst, weil man merkt, dass auch Menschen in Gefahr kommen."

Heinrich Bökamp ist seit über 35 Jahren Bauingenieur, er ist Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW, hat an der Technischen Universität in Aachen promoviert. Und der Klimawandel ist in seinem Beruf längst angekommen. Spätestens seit dem katastrophalen Hochwasser im Juni 2021, bei dem 49 Menschen allein hier in Nordrhein-Westfalen ihr Leben verloren haben, ist vielen bewusst geworden, welche Gefahren ein lang anhaltender Regen oder ein Starkregen mit sich bringen kann. 

Unser Kanalsystem ist für solche Wassermengen nicht ausgelegt

Der Großteil unseres Kanalsystems wurde in den 50er-Jahren angelegt. Damals ging man von ganz anderen Voraussetzungen aus, bei der Bemessung der Durchmesser hat damals niemand an den Klimawandel gedacht. Niemand konnte erahnen, dass solche erheblich größeren Wassermassen hindurchfließen müssen. Deshalb sind viele unserer Kanäle mit Starkregen schlichtweg überfordert. Die Folge: Unsere Kanäle laufen voll, das Wasser kann nicht mehr abtransportiert werden, die Kanaldeckel drücken sich nach oben, Straßenzüge werden überschwemmt und Keller laufen voller Wasser. Außerdem sind viele Flächen durch Straßen und Pflastersteine versiegelt, das Wasser kann also auch dort nicht versickern. 

Heute baut man anders: das Konzept Schwammstadt

Erst seit zehn, fünfzehn Jahren denkt man die Dimension Klima bei Bauprojekten mit. Neue Gebiete werden nach dem Konzept der Schwammstadt geplant. Das heißt: Regenwasser wird nicht einfach kanalisiert und abgeleitet, sondern man versucht es lokal aufzunehmen und zu speichern; in sogenannten Regenrückhaltebecken.

"Wir haben ja auch viele Flächen, denen Wasser dringend fehlt. Ein Regenrückhaltebecken ist wie eine Art Freibad. Wenn große Wassermassen im Kanal sind, werden sie dorthin weitergeleitet und gespeichert."

Außerdem werden weniger Flächen versiegelt. Sogenannte Rasenpflastersteine helfen dabei, dass der Boden das Wasser besser aufnehmen kann. Pflastersteine werden mit größeren Fugen verlegt und die Flächen werden nicht mehr exakt waagerecht gebaut, sondern bekommen eine Mulde. 

"Damit verringert man erstmal die Geschwindigkeit des Wassers und dann hofft man, dass das Regenereignis bis dahin vorbeigezogen ist, bis das Wasser in den Kanal fließt."

Auch den eigenen Hausanschluss kann man inzwischen mit einer Rückstauklappe schützen. Diese verhindert, dass Regenwasser aus dem Kanal in der eigenen Toilette oder im Keller hochkommt. Inzwischen Standard bei vielen Neubauten. Aber was ist mit Häusern, die älter als zehn, fünfzehn Jahre sind? Dort können sie teilweise nachgerüstet werden, sagt der Experte. 

"Bei Bestandsimmobilien kann eine Nachrüstung sehr sinnvoll sein, weil früher Abwasser - und Regenkanäle noch zusammen verbaut wurden, auch das ist inzwischen anders." 

Leben mit dem Klimawandel: Der Bauingenieur

Der Bestand macht Sorgen - Wie historische Altstädte schützen?

Eine wirkliche Möglichkeit, alte historische Stadtkerne vor Hochwasser zu schützen, sieht der Experte kaum. Mobile Hochwasserschutzwände, wie sie zum Beispiel die Stadt Köln aufstellt, wenn eine Hochwasserwelle im Rhein erwartet wird, sieht er nicht als praktikable Lösung.

"Da wissen sie ja, wie sie das Wasser führen wollen. Sie bräuchten dann schon massive Anlagen, die sie dauerhaft dort stehen haben. Und wenn ihnen jetzt das Wasser in die Stadt reinläuft, über die Straßen, wo wollen sie dann die Sperren hinmachen?"

An dieser Stelle müssen wir mit einem gewissen Risiko leben.

Inzwischen gibt es eine Karte vom Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, wo sich Städte und Gemeinden informieren können, wo Starkregen zum Problem werden kann. So kann überprüft werden, ob dort eventuell Kindergärten, Krankenhäuser oder Feuerwehrwachen speziell geschützt werden müssen. Oder ob dort wichtige Umspannwerke oder Infrastruktur für wichtige Telekommunikation stehen, auf die man gerade in Gefahrensituationen angewiesen ist. Diese Daten sind Grundlagen für viele Klimaanpassungskonzepte, welche die Städte und Kreise in den letzten Jahren entwickelt haben.

 

Klimakiller Baubranche

Heinrich Bökamp weiß, dass seine Arbeit mit dem Bau größerer Kanäle und Regenwasserrückhaltebecken nicht getan ist. Denn die Baubranche selbst befeuert den Klimawandel. Laut UNO-Bericht verursacht allein dieser Sektor 38 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Das zu ändern, darin sieht der Ingenieur die Herausforderung der Zukunft.

"Die Baubranche verbraucht im Moment noch zu viele Materialien. Das ist die größte Herausforderung. Zu gucken, wie bekommen wir das hin, dass der Kreislauf in Gang kommt? Dass in 20, 30 Jahren die Nächsten auch wissen, wo welches Material verbaut wurde, um das dann weiterzuverwenden."

Autorin: Nina Tenhaef

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