Doppelte Kontrolle an der deutsch-polnischen Grenze
Veröffentlicht: Montag, 07.07.2025 12:29

Migration
Warschau/Berlin (dpa) - Mit großem Personalaufgebot hat Polens Grenzschutz seine angekündigten Kontrollen an der Grenze zu Deutschland begonnen. Wenige Stunden später zog Polens Innenminister Tomasz Siemoniak eine positive Bilanz der vorübergehenden Kontrollen, die auch für die polnisch-litauische Grenze angeordnet wurden. «Alles verläuft ohne Zwischenfälle, der Verkehr fließt bislang reibungslos», sagte er nach einem Gespräch mit dem Chef des Grenzschutzes dem Sender TVN24.
Wie das Innenministerium auf X mitteilte, werden seit Mitternacht Reisende an 52 Grenzübergängen überprüft. Die meisten von ihnen reagieren gelassen. Doch einige Pendler und Einkäufer zweifeln an der Sinnhaftigkeit der Maßnahme.
Schnell über die Grenze zum Tanken
An einer Kontrollstelle in Krajnik Dolny stoppen am Morgen von der Militärpolizei unterstützte Beamte mit Polizei-Westen die aus Richtung der brandenburgischen Stadt Schwedt kommenden Autofahrer - etwa Deutsche, die noch vor Beginn ihres Arbeitstages günstig in Polen tanken wollen. Lastwagen werden hier nicht kontrolliert.
Am Übergang zwischen Frankfurt/Oder nach Slubice winken die Beamten Fahrzeuge mit polnischen Kennzeichen an der Grenze meist durch. Autos mit deutschen Kennzeichen werden kurz angehalten. Konsequent kontrolliert werden hier die Fußgänger. Auch Fahrradfahrer müssen ihre Papiere vorzeigen.
Direkt neben der Kontrollstelle hängt ein Banner mit dem Slogan «No! Immigration». Es stammt von der rechtsradikalen «Bewegung zur Verteidigung der Grenzen», die zu eigenmächtigen Grenzpatrouillen aufruft. Auf der Gegenfahrbahn, Richtung Deutschland, wo viele Pendler unterwegs sind und die Bundespolizei stichprobenartig kontrolliert, ist frühmorgens deutlich mehr Verkehr.
Der ADAC rechnet angesichts der vorübergehenden Kontrollen an Polens Grenze zu Deutschland künftig mit Staus für Urlaubsreisende. Der Ferienbeginn in Berlin, Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern werde zum «Gradmesser», sagt ein ADAC-Sprecher. Die Sommerferien beginnen in den drei Ländern Ende Juli. In Sachsen, das eine Grenze zu Polen hat, haben sie vor einigen Tagen begonnen. Vorerst seien die Verkehrsbeeinträchtigungen überschaubar, sagte der ADAC-Sprecher am Morgen.
Polens Innenminister: Kontrollen gegen Schleuser
«Die Kontrollen richten sich gegen diejenigen, die an der illegalen Schleusung von Migranten über die Grenze beteiligt sind. Normale Reisende haben nichts zu befürchten», sagt Polens Innenminister laut einem Post seiner Behörde. Die Grenzer haben besonders Minibusse, Autos mit vielen Insassen und Fahrzeuge mit getönten Scheiben im Auge. Wer getönte Scheiben hat, zieht auch bei den Kontrollen der Bundespolizei Aufmerksamkeit auf sich.
1.800 Männer und Frauen im Einsatz
An den Kontrollen an beiden Landesgrenzen sind am ersten Tag laut Innenministerium rund 800 Grenzschützer, 300 Polizisten, 200 Militärpolizisten sowie 500 Angehörige der freiwilligen Heimatschutzverbände beteiligt. Männer und Frauen in Flecktarn mit gelben Westen stoppen die Reisenden.
Am Grenzübergang Pomellen an der A11 Richtung Stettin läuft der Verkehr am Vormittag reibungslos. Die polnischen Beamten kontrollierten nicht an der Autobahn selbst, sondern auf dem Parkplatz einer Tankstelle direkt an der Grenze. Nicht alle Fahrer werden heraus gewinkt. Auch auf der Gegenseite Richtung Deutschland rollt der Verkehr. Die deutschen Behörden haben eine Kontrollstrecke auf dem Gelände des Zollamts eingerichtet. Alle Fahrzeuge werden dorthin umgeleitet, aber nicht alle angehalten.
Kontrollen vorerst bis Anfang August
Die polnischen Kontrollen sollen zunächst bis zum 5. August andauern. Wer die Grenze überqueren will, muss einen Personalausweis oder einen Reisepass dabeihaben. Auch an 13 Grenzübergängen zu Litauen wird kontrolliert. Dort nahmen die polnischen Grenzer in den frühen Morgenstunden einen estnischen Staatsbürger fest. Er hatte den Angaben zufolge vier Menschen aus Afghanistan im Auto, die irregulär einreisen wollten. Die Afghanen sollen nach Litauen zurückgewiesen werden, der Fahrer wird noch verhört.
Die Mitte-Links-Regierung in Warschau hat die Kontrollen als Reaktion auf deutsche Grenzkontrollen angeordnet. Deutschland kontrolliert bereits seit Oktober 2023 stichprobenhaft an der Grenze zu Polen, um irreguläre Migration zu stoppen.
Angebot von Dobrindt
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte kurz nach dem Antritt der neuen Bundesregierung im Mai intensivere Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete er an, dass künftig auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Die Zurückweisungen aus Deutschland sind in Polen ein Reizthema - auch weil rechte Aktivisten das Gerücht verbreitet haben, deutsche Beamte transportierten Asylbewerber, die sich vorher nicht in Polen aufgehalten haben, ins Nachbarland.
Dobrindt hat seinem polnischen Amtskollegen nach eigenen Worten gemeinsame Kontrollen auf der deutschen Seite der gemeinsamen Grenze angeboten. Bisher wurde dieses Angebot allerdings nicht angenommen. Für den 18. Juli hat der Bundesinnenminister seine Amtskollegen aus Frankreich, Polen, Österreich, Dänemark und Tschechien sowie den EU-Kommissar für Inneres und Migration, Magnus Brunner, zu einem «Migrationsgipfel» auf die Zugspitze eingeladen.
Vertreter deutscher Wirtschaftsverbände im grenznahen Raum hatten vor Beginn auf negative Folgen der stationären Grenzkontrollen für den Waren- und Pendlerverkehr hingewiesen.
Regierungssprecher Stefan Kornelius sagte, Ziel sei ein besserer EU-Außengrenzschutz. Die Binnenkontrollen seien nur eine vorübergehende Maßnahme. «Wir wollen keine dauerhaften Grenzkontrollen», betonte er. Man sei sich der Auswirkungen dieser Kontrollen durchaus bewusst.
Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, schrieb auf X: «Die Einführung der polnischen Grenzkontrollen sind Folge des nationalen Alleingangs an allen deutschen Grenzen.»
Nicht alle Pendler und Einkäufer sind überzeugt
Andreas Ewald aus Berlin, der in Osinow Dolny auf dem «Polenmarkt Hohenwutzen» einkauft, sagt, er beschäftige in seiner Glas- und Gebäudereinigungsfirma keine Mitarbeiter aus Polen mehr. Denn für die sei die Anreise wegen der Kontrollen der Bundespolizei so aufwendig, dass sich das nicht mehr lohne. Dass diese Kontrollen irreguläre Migration eindämmen können, glaubt er nicht. Er sagt: «Die Banden, die dahinterstecken, die finden andere Wege.»
Oliver aus Eberswalde ist einmal die Woche für die Arbeit in Schwedt und fährt dann zum Tanken nach Polen. Über die Kontrollen sagt er: «Die stören mich eigentlich weniger, ist ja einigermaßen gut für die Sicherheit, dass weniger geschmuggelt wird.» Schwierig sei nur, wenn die Grenzer kein Deutsch sprächen und man nicht wisse, was genau sie wollten. Aber solange nur die Papiere kontrolliert würden und nicht der Kofferraum, sei das schon in Ordnung, sagt der junge Mann.


