Pakistan nimmt etwa 280 Afghanen aus Aufnahmeprogrammen fest

Afghane in einem Gästehaus in Pakistan (Archivbild)
© Nabila Lalee/dpa

Bundesaufnahmeprogramme

Berlin/Islamabad (dpa) - Pakistan hat in den vergangenen Tagen etwa 280 Afghanen festgenommen, die auf ihre Ausreise nach Deutschland gewartet haben. Von ihnen wurden nach dpa-Informationen 35 bereits nach Afghanistan abgeschoben. Aus dem Auswärtigen Amt heißt es dazu: «Die Bundesregierung steht sowohl über die Deutsche Botschaft Islamabad als auch in Berlin in hochrangigem Kontakt mit der pakistanischen Regierung, um die Lage schnellstmöglich zu klären.»

Derzeit warten mehr als 2.000 Afghanen im Rahmen der verschiedenen Aufnahmeprogramme in Pakistan auf eine Ausreise nach Deutschland. Sie sind ehemalige Ortskräfte oder gelten als besonders gefährdet. Da die deutsche Botschaft in Kabul seit dem Fall Afghanistans an die islamistischen Taliban im August 2021 geschlossen ist, durchlaufen sie in Pakistan ein Prüfverfahren. Allein bis zum Gespräch mit den Sicherheitsbehörden vergehen oft Monate. 

Bundesregierung bemüht sich um Freilassung der Gefangenen

Erstes Ziel sei es, den Schutz und die Sicherheit der besonders gefährdeten Personen zu gewährleisten, heißt es aus dem Auswärtigen Amt weiter. Zudem solle den Abgeschobenen eine Rückkehr nach Pakistan unter Einhaltung der dortigen aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen ermöglicht werden. «Bei besonders gefährdeten Personen, die durch pakistanische Behörden festgenommen wurden, bemühen wir uns um deren Freilassung und deren fortgesetzte Betreuung durch unseren Dienstleister vor Ort.» 

Afghanen in Pakistan sagten der dpa, es habe am Mittwoch Razzien in mehreren Unterkünften gegeben. Diese dauerten auch am Donnerstag an. Ein Besitzer eines Gästehauses in Islamabad sagte, sieben Familien seien in seiner Unterkunft festgenommen worden. In einem anderen Gästehaus wurden nach Angaben eines Wächters neun Familien am Donnerstag von Behörden mitgenommen. 

Bewohner fürchten weitere Verhaftungen - auch Journalist in Abschiebelager 

Der dpa liegen auch Aussagen eines Afghanen vor, der bereits in die Grenzstadt Peschawar gebracht wurde. Ein anderer Bewohner der Gästehäuser berichtete von Familien, die aus Furcht vor weiteren Verhaftungen bereits ihre Koffer gepackt hätten. Laut Reporter ohne Grenzen hat die pakistanische Polizei auch einen Journalisten mit Aufnahmezusage sowie seine Familienmitglieder bereits am Mittwoch in ein Abschiebelager gebracht. Die Organisation forderte die Bundesregierung auf, sich für seine Freilassung einzusetzen.

Es war nicht unmittelbar klar, ob die Geschehnisse mit den allgemeinen Maßnahmen Pakistans gegen Migranten und Flüchtlinge aus Afghanistan zusammenhängen oder sich gezielt gegen Afghanen im deutschen Aufnahmeprogramm richten. Es ist davon auszugehen, dass die pakistanischen Behörden wissen, in welchen Gästehäusern sich Afghanen befinden, im deutschen Aufnahmeprogramm sind.

Kritik an deutschen Behörden

Von Kabul Luftbrücke hieß es in einer Mitteilung, dass die Organisation ständig neue Hilferufe erreichten. Pakistanische Sicherheitskräfte würden teils Gewalt anwenden und es lägen der Organisation auch Berichte vor, dass Familien getrennt würden. «Die Deutsche Botschaft Islamabad kann die Betroffenen offenkundig nicht effektiv schützen», hieß es. Kabul Luftbrücke forderte die umgehende Ausstellung der Visa für die Betroffenen.

Koalition hatte Aufnahmeprogramme Anfang Mai gestoppt 

Nach der Machtübernahme der Taliban wurden in Deutschland verschiedene Aufnahmeverfahren für Afghanen eingerichtet. Andere Aufnahmeprogramme, etwa für die Bundeswehr tätige Ortskräfte, existierten schon länger. Die neue Bundesregierung von Union und SPD stoppte die Programme Anfang Mai. 

Unter den Afghanen in den Aufnahmeprogrammen sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums etwa 350 ehemalige Ortskräfte deutscher Institutionen mit ihren Angehörigen. In der Vergangenheit gab es immer wieder Kritik, dass sich die Aufnahmeverfahren zu lange hinzögen. Die pakistanischen Behörden hatten bereits in den vergangenen Monaten mehrere Afghanen mit Aufnahmezusage für Deutschland vorübergehend festgenommen. 

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte am Rande einer Sommerreise durch Sachsen-Anhalt auf die Frage, ob bereits nach Afghanistan abgeschoben Menschen zurückgeholt würden, es bestehe über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein Kontakt zu diesen Menschen und es gebe auch Unterstützung für sie. Es werde zudem in jedem Einzelfall geprüft, ob eine rechtsverbindliche Verpflichtung zur Aufnahme bestehe. Und es werde eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt.

Pakistan schiebt seit 2023 massenhaft Afghanen ab

Pakistan hatte Ende 2023 mit der Massenabschiebung unregistrierter afghanischer Flüchtlinge begonnen. Seit April weist das Land auch registrierte Menschen aus. Langfristig plant Islamabad die Ausweisung von drei Millionen Afghaninnen und Afghanen. Beobachtern zufolge will Pakistan mit den Massenabschiebungen den Druck auf die islamistischen Taliban in Afghanistan erhöhen.

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