Medien: Israel will schnelle Einnahme des Großteils von Gaza
Veröffentlicht: Montag, 26.05.2025 05:10

Lage im Überblick
Gaza (dpa) - Israels Militär plant übereinstimmenden Medienberichten zufolge innerhalb weniger Wochen die Einnahme von drei Vierteln des abgeriegelten Gazastreifens. Den Plänen zufolge werde es nur zwei Monate dauern, bis 75 Prozent des Küstengebiets erobert sind, berichtete die «Times of Israel» unter Berufung auf das Militär. Bisher kontrolliere die Armee rund 40 Prozent des Gebiets. Die palästinensische Zivilbevölkerung solle auf ein Viertel des abgeriegelten Küstengebiets zusammengedrängt werden, um Gaza von der islamistischen Hamas zu befreien, berichtete auch das «Wall Street Journal».
Die israelischen Streitkräfte hatten kürzlich eine neue Großoffensive in Gaza gestartet. Das Militär habe inzwischen alle seine regulären Infanterie- und Panzerbrigaden in den Küstenstreifen verlegt, berichteten israelische Medien. Die Hamas stehe unter großem Druck, sagte Generalstabschef Ejal Zamir am Sonntag bei einem Truppenbesuch in der Stadt Chan Junis im Süden Gazas. Ziel der Intensivierung der Kämpfe sei das Erreichen der erklärten Kriegsziele: die Hamas vollends zu besiegen und noch festgehaltene Geiseln zu befreien.
Weitere Verwüstungen
Als Israels Militär Wochen nach dem Terrorüberfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 erstmals eine Bodeninvasion in Gaza startete, habe die Tötung möglichst vieler Terroristen im Mittelpunkt der Strategie gestanden, schrieb die «Times of Israel». Da jedoch keine politische Alternative zur Hamas geschaffen wurde, konnte sie in den jeweiligen Gebieten schnell wieder erstarken. Nun ändere Israels Armee die Taktik, der Schwerpunkt liege jetzt auf der Eroberung von Gebieten. Die Armee werde dabei alles zerstören, was es als von der Hamas genutzte Infrastruktur betrachtet, zitierte das «Wall Street Journal» das Militär.
Schon jetzt sind breite Teile des Gazastreifens durch den seit mehr als anderthalb Jahren andauernden Krieg verwüstet. Die Hamas habe unter dem Küstengebiet schätzungsweise 900 Kilometer an Tunneln gebaut, von denen laut Israels Armee bisher aber nur 25 Prozent zerstört worden seien, schrieb die «Times of Israel». Generalstabschef Zamir betonte: «Dies ist kein endloser Krieg. Wir wollen ihn beenden, indem wir seine Ziele erreichen. Wir wollen die Hamas entscheidend besiegen.» Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte zuletzt die Einnahme des gesamten Gazastreifens angekündigt.
Massive internationale Kritik an Israel
An Israels Vorgehen in dem Küstengebiet, wo rund zwei Millionen Palästinenser leben und täglich Dutzende Tote gemeldet werden, gibt es international massive Kritik. Bundesaußenminister Johann Wadephul nannte die Situation in Gaza im ARD-«Bericht aus Berlin» «unerträglich». Er spreche fast täglich mit Israels Außenminister Gideon Saar. Er habe ihm nun erneut gesagt, dass es «eine schnelle, eine wirkungsvolle Lieferung von Hilfsgütern geben» müsse.
«Einerseits, wir stehen zum Staat Israel, wir sind für ihn verantwortlich und andererseits stehen wir natürlich zum Grundwert der Humanität und sehen natürlich das Leiden dieser Menschen», sagte der CDU-Politiker. Die Regierung Spaniens forderte zur Beendigung der humanitären Katastrophe im Gazastreifen und des Krieges ein internationales Waffenembargo gegen Israel. Auch in der israelischen Bevölkerung gibt es zunehmend Kritik: Erst jüngst forderten Teilnehmer einer Demonstration in Tel Aviv ein Ende des Krieges.
US-Sicherheitsfirmen sollen Hilfsgüter verteilen
Israel hatte im März sämtliche Hilfslieferungen nach Gaza blockiert und kurz darauf auch die Waffenruhe mit der Hamas beendet. Damit sollte der Druck auf die Hamas erhöht werden, die letzten Geiseln freizulassen. Israel behauptete, es gebe keinen Mangel an Hilfsgütern. Die Regierung beschuldigt die Hamas, diese zu stehlen, um damit Geld zu machen, was die Hamas bestreitet. Auch UN-Vertreter sagen, Israel habe keine Beweise dafür vorgelegt. Nach Druck von internationalen Verbündeten hob das Land die Blockade schließlich wieder auf.
Seit einigen Tagen lässt Israel zwar wieder einige Hilfsgüter in das Kriegsgebiet, die jedoch nach UN-Angaben längst nicht ausreichen. UN-Generalsekretär António Guterres sprach kürzlich von der wohl «grausamsten Phase» des Krieges. Die gesamte Bevölkerung Gazas sei von einer Hungersnot bedroht.
Möglicherweise heute soll Medienberichten zufolge ein neuer, von den USA unterstützter Mechanismus zur Verteilung von Hilfsgütern starten. Zu diesem Zweck eingerichtete Verteilungszentren im Süden und im Zentrum des Gazastreifens sollen künftig von US-Sicherheitsfirmen betrieben werden. Israel will so Hilfsorganisationen der UN und anderer internationaler Helfer umgehen.
Kritik an Israels Neuaufstellung der Versorgung
Ein Vertreter jeder palästinensischen Familie soll alle fünf Tage zu einem der Zentren gehen, um ein Hilfspaket abzuholen, hieß es. Die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen, die eine Beteiligung an dem Plan abgelehnt haben, halten dies für zu gefährlich. Denn er verlange von den Palästinensern, dass sie auf dem Weg zu den Verteilungszentren durch Kampfgebiete müssen. Zudem verstoße dies gegen ihre Neutralitätsgrundsätze, da Israel die Hilfe kontrolliere.
Unterdessen trafen am Sonntag nach Angaben Israels weitere Lieferungen in dem umkämpften Gebiet ein. 107 Lastwagen mit Hilfsgütern wie Mehl sowie weiteren Lebensmitteln seien über den Grenzübergang Kerem Schalom in den Küstenstreifen gefahren, teilte die zuständige israelische Behörde Cogat mit. Die in den vergangenen Tagen eingefahrenen Lkw-Ladungen seien nur ein «Teelöffel» der nötigen Hilfe, beklagte zuvor Guterres. Zuletzt gab es Berichte über chaotische Szenen bei der Verteilung der Hilfen sowie Plünderungen.


